Kryptowährungen polarisieren. Sie werden geliebt und gehasst. Sie können Vermögen schaffen und es wieder vernichten.
Aber handelt es sich beim Kauf und Verkauf von Kryptowährungen eigentlich um ein seriöses Investment oder um wilde Spekulation?
Auf diese Frage gehe ich in diesem Artikel näher ein. Los geht’s!
Wichtiger Hinweis: Die Inhalte in diesem Artikel stellen keine Anlageberatung oder sonstige Empfehlung zum Kauf, Verkauf oder zur Zeichnung von Kryptowährungen oder sonstiger digitaler Wertgegenstände dar, sondern geben lediglich die Meinung des Autors wieder. Informiere dich immer eigenständig und hole bei Bedarf fachliche Unterstützung zu rechtlichen und steuerrechtlichen Fragestellungen ein. Investiere nie mehr, als du bereit bist zu verlieren. Die vollständigen rechtlichen Hinweise findest du im Impressum (Link).
Inhalt
Investment oder Spekulation – die gängige Sichtweise
Die Frage, ob eine Geldanlage als Investment oder als Spekulation gilt, ist nicht neu. Unterschiedliche Autor*innen diskutierten diese Frage bereits in der Vergangenheit. Eine der wahrscheinlich bekanntesten Definitionen stammt von Benjamin Graham, dem Lehrmeister von Warren Buffett, der wiederum oft als der erfolgreichste Investor aller Zeiten beschrieben wird. In seinem Meisterwerk „The Intelligent Investor“ (Affiliate-Link) schreibt Benjamin Graham den vielzitierten Abschnitt:
“An investment operation is one which, upon thorough analysis promises safety of principal and an adequate return. Operations not meeting these requirements are speculative.”
Benjamin Graham, „The Intelligent Investor“
Frei übersetzt bedeutet das, dass ein Investment nicht zum Verlust des eingesetzten Investitionsbetrages und zu einer angemessenen Rendite führt. Darüber hinaus teilt Benjamin Graham einige weitere bemerkenswerte Sätze:
„In most periods the investor must recognize the existence of a speculative factor in his common-stock holdings.“
Benjamin Graham, „The Intelligent Investor“
„[…] some speculation is necessary and unavoidable, for in many common-stock situations there are substantial possibilities of both profit and loss, […]“
Außerdem nennt er drei der wichtigsten Gründe, wann eine Spekulation nicht intelligent ist:
- Spekulieren, wenn man glaubt, man würde investieren.
- Ernsthaftes Spekulieren – statt nur als Zeitvertreib – wenn die Kenntnisse und Fähigkeiten dafür fehlen.
- Das spekulative Riskieren eines Geldbetrages, dessen Verlust man finanziell nicht verkraften kann.
Die Ausführungen von Benjamin Graham sind wirklich spannend und umfassend. Im Folgenden greife ich daher einige seiner Überlegungen auf und erweitere sie auf den Bereich der Kryptowährungen.
Spekulation – immer böse?
Der Begriff „Spekulation“ ist in Deutschland sehr negativ behaftet. Darunter versteht man oft eine leistungslose Geldvermehrung, die mehr einem Glücksspiel ähnelt als einer echten Geldanlage.
Einer von vielen Gründen liegt dabei vermutlich in der Finanzkrise aus dem Jahr 2008. Damals verloren Banken mit risikoreichen Geschäften viel Geld und mussten anschließend mit Steuergeldern gerettet werden. Auf diese Weise wurden die vorherigen Gewinne der Banken, die sie für sich behielten, privatisiert. Die durch die riskanten Geschäfte entstandenen Schulden wurden hingegen über die Rettung mit Steuergeldern vergemeinschaftet. Möglich wurde das dadurch, dass bestimmte Banken als „systemrelevant“ eingestuft wurden. Ihr möglicher Bankrott schürte die Angst vor einer gefährlichen Kettenreaktion, bei der unter anderem die Kreditvergabe hätte stocken können. Auf diese Weise wäre die Realwirtschaft – also echte Unternehmen, Geschäfte und Restaurants – von der teilweise dringend benötigten Geldversorgung abgeschnitten gewesen.
War die Rettung mit Steuergeldern nicht trotzdem unfair?
Ja.
Dieser Ansicht waren scheinbar auch die Entwickler der ersten Blockchain basierten Kryptowährung, die sie im Jahr 2008 vorstellten: Dem Bitcoin.
Aber wie verhält es sich mit den Spekulationen einer Privatperson?
Stellen wir uns vor, ich gehe eine finanziell verantwortungsvolle Spekulation mit dem Kauf von Kryptowährungen ein. Finanziell verantwortungsvoll bedeutet hier, dass ich einen kleinen Geldbetrag einsetze, dessen Verlust ich gut verkraften kann. Selbstverständlich nehme ich auch keinen Kredit für die Spekulation auf, beziehungsweise verschulde mich nicht.
Das Chance-Risiko-Verhältnis muss stimmen
Außerdem sollte die Spekulation ein attraktives Chance-Risiko-Verhältnis aufweisen. Kaufe ich eine Kryptowährung und wir sie im Anschluss wertlos, liegt der maximale Verlust bei 100% des eingesetzten Geldes. Wenn ich in diesem Fall allerdings mit einer positiven Rendite von 200% rechne, übersteigt meine Gewinnerwartung das Risiko, was es zu einer attraktiven Spekulation machen kann. Erwarte ich hingegen nur eine Rendite von 5%, übersteigt der mögliche Verlust den möglichen Gewinn. Diese Rechnung ist allerdings vereinfacht, da ich unter anderem auch die Eintrittswahrscheinlichkeiten der jeweiligen Szenarien berücksichtigen muss und soll daher nur als Beispiel dienen. Zum Vergleich: Wenn ich beim Roulette mein Geld auf eine einzelne Zahl setze, übersteigt die Rendite im Gewinnfall deutlich den möglichen Verlust von 100% meines Einsatzes. Trotzdem ist diese Wette nicht besser als mein Geld auf eine Farbe (rot oder schwarz) zu setzen, da die Wahrscheinlichkeit eine einzelne Zahl zu treffen eben auch in gleichem Maß geringer ist.
Verkaufe ich meine Kryptowährungen nun mit Gewinn innerhalb der Jahresfrist, fallen Steuern auf das sogenannte private Veräußerungsgeschäft an. Verkaufe ich meine Kryptowährungen hingegen mit Verlust, kann ich diesen Verlust zwar idealerweise steuerlich geltend machen. Üblicherweise kann diese Form des Verlustes aber nur mit Gewinnen anderer Kryptoverkäufe gegengerechnet werden. Eine Verrechnung mit den Gewinnen anderer Anlageklassen, wie zum Beispiel Aktien, ist normalerweise nicht möglich.
Im Gegensatz zu unserem Beispiel der Finanzkrise werden Kursgewinne hier also zumindest anteilig über die anfallenden Steuern vergemeinschaftet. Kursverluste werden hingegen privatisiert und einzig von der spekulierenden Person getragen.
Kryptowährungen: Investment oder Spekulation?
Eine der zentralen Erkenntnisse aus Benjamin Grahams Ausführungen ist die Tatsache, dass man eine Investition und eine Spekulation oft nicht scharf voneinander trennen kann. Viel eher weisen Investitionen oftmals spekulative Elemente auf. Vor allem dann, wenn man gewisse Investitionshypothesen trifft, die nicht vollständig sicher sind.
Nehmen wir beispielsweise eine Investition in ein Start-Up. Bei der Bewertung von etablierten Unternehmen kommt oft der Ansatz des sogenannten Discounted Cashflows (zu deutsch in etwa: Abgezinster Zahlungsstrom) zum Einsatz. Vereinfacht ausgedrückt, schaut man sich dabei die zukünftigen Erträge des Unternehmens an und berechnet, was diese Erträge schon heute wert wären. Denn: 100 € die ich heute habe, sind mehr wert als 100 €, die ich in einem Jahr erhalte. Die heutigen 100 € könnte ich in der Zwischenzeit ja gewinnbringend anlegen. Aus diesen abgezinsten Erträgen kann dann der entsprechende Wert des Unternehmens abgeleitet werden.
Im Falle eines Start-Ups weiß ich allerdings praktisch nie, was es in der Zukunft genau verdienen wird. Klar, auch Start-Ups erstellen Businesspläne, in denen sie ihre zukünftigen Gewinnerwartungen skizzieren. Allerdings sind diese Businesspläne insbesondere bei neu gegründeten Unternehmen vor allem ein Mittel, um sich für potenzielle Investor*innen gut zu präsentieren.
Dein Kenntnisstand entscheidet über Investment und Spekulation
Wahrscheinlich kennst du den gängigen Satz:
„Eine höhere Rendite geht mit einem höheren Risiko einher.“
Dieser Satz mag für die meisten Anleger*innen stimmen und trifft in normalen Zeiten vor allem bei großen Märkten, wie zum Beispiel bei Aktienmärkten für große und etablierte Unternehmen zu. Auf diesen regulierten Märkten stehen neue Informationen der Öffentlichkeit direkt zur Verfügung. Die Vielzahl der Anleger*innen berücksichtigt diese Informationen und Zukunftserwartungen meistens direkt im aktuellen Preis der jeweiligen Aktie. Man spricht auch davon, dass Informationen bereits eingepreist sind.
In der Welt der Kryptowährungen vertrete ich an dieser Stelle eine etwas andere, wenn auch nicht vollständig neue Ansicht. Der Satz würde hier lauten:
„Eine höhere Rendite geht mit einem höheren Kenntnisstand über die Investition, beziehungsweise die Spekulation einher.“
Die heutigen Kryptomärkte sind (noch) nicht effizient
Kryptomärkte weisen bei weitem keine so effiziente Preisbildung auf, wie Aktienmärkte. Das liegt unter anderem daran, dass diese Märkte in weiten Teilen immer noch unreguliert sind, neue Informationen weniger formalisiert an die Öffentlichkeit gelangen und die Handelsvolumen – zumindest bisher – deutlich kleiner waren als an den Aktienmärkten.
Um dir diese Aussage zu verdeutlichen, stellen wir uns zwei Personen vor, die ihr Geld in ein und dieselbe Kryptowährung anlegen. Die erste Person weiß nichts über die Kryptowährung und hofft einzig und allein darauf, dass der Preis steigt, damit sie ihre Coins mit einem Gewinn verkaufen kann. Die zweite Person hat die Technologie dieser Kryptowährung eingehend studiert, hat sich über das Entwicklungsteam und ihre Hintergründe informiert und versteht genau, welche realen Probleme diese Kryptowährung in Zukunft lösen wird.
Die beiden Personen legen ihr Geld in diesem Beispiel in derselben Kryptowährung an, ihr Risikoprofil ist aber ein vollständig anderes. Bei einer einzigen Kryptowährung mag sich das noch in Grenzen halten. Besser ersichtlich wird es aber, wenn jede der Personen ihr Geld in zehn verschiedene Kryptowährungen anlegt. Während die erste Person die jeweiligen Kryptoprojekte nahezu „blind“ auswählt, basiert die Auswahl der zweiten Person auf einer sorgfältigen Recherche, was die Gesamtqualität ihrer Anlagen erhöht.
Investment oder Spekulation mit Kryptowährungen, der Begriff bestimmt die Wahrnehmung
Die Begriffe Investment und Spekulation werden im Bereich der Kryptowährungen häufig sehr gezielt verwendet. Befürworter*innen, die sich gerne als Investor*innen bezeichnen, wollen mit diesem Begriff transportieren, dass es sich um eine sehr sichere Geldanlage handele. Kritiker*innen verwenden dagegen oft und gerne den Begriff Spekulation, um zu vermitteln, dass diese Geldanlage hochgradig riskant sei und einem Glücksspiel ähnele.
Aus meiner Sicht lassen sich Geldanlagen im Bereich der Kryptowährungen nur schwer pauschal in diese beiden Kategorien einordnen. Viel mehr können Geldanlagen in Kryptowährungen häufig sowohl Elemente einer Investition als auch einer Spekulation aufweisen. Technische Fehlfunktionen, Hacks und schlichter Betrug sind reale Risiken, sodass ein großer spekulativer Anteil offensichtlich ist. Trotzdem versuche ich den spekulativen Anteil durch eine gründliche Recherche, ausgiebiges Testen und sogar durch Kommunikation mit den jeweiligen Entwicklungsteams bei jeder Geldanlage in Kryptowährungen soweit wie möglich zu minimieren.
Fazit
Eine Geldanlage in Kryptowährungen als reines Investment oder als reine Spekulation zu bezeichnen, ist meist nicht zielführend. Geldanlagen in Kryptowährungen können gleichzeitig sowohl Züge eines Investments als auch einer Spekulation aufweisen. Vor einer Geldanlage in Kryptowährungen sollte man daher in jedem Fall eine eigene Recherche über das betreffende Kryptoprojekt, den jeweiligen Anwendungsfall und das zugehörige Entwicklungsteam durchführen. Auf diese Weise können spekulative Risiken reduziert, wenn auch nie ganz ausgeschlossen werden.